
Gedanken zur Bundestagswahl 2025
„Deutschland durchlebt eine turbulente Zeit. Die Stimmung ist aufgewühlt und die Gesellschaft polarisiert.“1 So beschreiben die Deutschen Bischöfe in einer gemeinsamen Erklärung ihre Wahrnehmung der gesellschaftlichen Situation in Deutschland.
In der Tat stellt man – nicht nur in diesen Wochen des Bundestagswahlkampfs – eine gewisse Gereiztheit und Aggressivität fest, gerade wenn es um Politik und die damit verbundenen Themen geht. Der gute Ton ist uns abhandengekommen.
Nun wählen wir am 23. Februar den 21. Deutschen Bundestag.
Es ist nicht meine Aufgabe, hierzu Empfehlungen abzugeben. Aber ich halte es doch für wichtig, auch aus der christlichen Perspektive heraus, auf die Bedeutung dieser Wahl hinzuweisen, und Sie zu ermutigen, von Ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die Zeiten sind zu ernst, als dass man sich seiner Stimme enthalten könnte.
Neben den großen geopolitischen Fragen nach Frieden und Sicherheit in Europa, wird sich eine neue Bundesregierung intensiv mit dem Sozialsystem unseres Staates auseinandersetzen müssen, besonders was bezahlbare Pflege, Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung, soziale Gerechtigkeit, aber auch Bildung angeht. Nicht zuletzt ist auch eine Konsolidierung der Wirtschaft ein wichtiger Faktor, um Wohlstand und damit den sozialen Frieden zu sichern. Dabei darf die Bewahrung der Schöpfung nicht ins aus dem Blick verloren werden. Der Umgang mit Menschen, die aus anderen Erdteilen zu uns kommen, erfordert Humanität, aber auch Ehrlichkeit. Ehrlichkeit, die immer Mut braucht, wünsche ich mir auch mit Blick auf die vielen anstehenden Herausforderungen und den damit verbundenen notwendigen Zumutungen für die Menschen in unserem Land.
Ich habe zu verschiedenen Gelegenheiten schon mehrfach meine Hoffnung geäußert, dass dies alles in einer Rückbesinnung auf das christliche Fundament unserer Gesellschaft geschieht. Christliche Werte waren diesem Land in seiner Geschichte nie zum Nachteil. Und letztlich wird unsere Gesellschaft, meiner Überzeugung nach, auch nur ihr ganzes Potential ausschöpfen können, wenn Werte wie Solidarität, Fleiß, Anstand und Ehrlichkeit wieder selbstverständlich werden; wenn man zum Konsens darüber gelangt, dass Leistung keine Zumutung ist, sondern die Voraussetzung für ein gutes und selbstbestimmtes Leben. Obgleich der solidarische Blick auf jene keinesfalls fehlen darf, die unter Armut leiden oder etwa aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst für ihr Auskommen sorgen können, leben Staat und Gesellschaft davon, dass sich alle ihren je eigenen Kräften entsprechend zum Gemeinwohl einbringen und subsidiäre Hilfe (i.S. einer Hilfe zur Selbsthilfe) nicht mit dem falschen Anspruch einer Subventionierung des eigenen Lebens verwechselt wird. Generell sehe ich das „Anspruchsdenken“ unserer Gesellschaft als höchst problematisch.
Damit sind auch die Prinzipien der katholischen Soziallehre benannt: Personalität, Solidarität, Subsidiarität, Gemeinwohl und Nachhaltigkeit.
Ich denke, dass christliche Werte, vor allem aber das christliche Welt- und Menschenbild, eine gute Orientierung bei der Findung einer persönlichen Wahlentscheidung sein können. Und vielleicht ist die Zeit wieder gekommen für u.U. langweilige, aber solide Werte, für etwas mehr Vernunft und Realitätssinn, dafür weniger Ideologie.
Über allem muss m.E. aber das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Ordnung unseres Landes und die Grundüberzeugung stehen, die die deutschen Bischöfe so zusammenfassen: „Für die Kirche … ist klar: Jeder Mensch besitzt eine unantastbare und unverfügbare Würde. Sie gründet in der Gottebenbildlichkeit aller Menschen und ist die Basis der Menschenrechte. So ist die Menschenwürde der Ausgangs- und Zielpunkt des christlichen Menschenbildes. Dieses Denken hat auch in unserer Verfassung seinen Niederschlag gefunden. In scharfer Abgrenzung zum Nationalsozialismus und zur Neuen Rechten bekennt sich das Grundgesetz ausdrücklich zur fundamentalen, die staatliche Ordnung und das gesamte gesellschaftliche Miteinander bestimmenden Bedeutung der Menschenwürde.“² In diesem Sinne ist auch die klare Positionierung der christlichen Kirchen gegen völkischen Nationalismus, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in jeder Gestalt zu verstehen.
Denn der Anker unserer Verfassung, die uns nun fast 80 Jahre Frieden, Freiheit, Sicherheit und Wohlstand sichert, ist das stete „Bewusstsein einer Verantwortung vor Gott und den Menschen“³!
Pfarrer Jürgen Josef Eckl
Dekan
Landespräses der Katholischen Männer in Bayern e.V.
1 Deutsche Bischofskonferenz, DBK. (22.02.2024). Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar. Erklärung der deutschen Bischöfe [Pressemitteilung]. https://www.dbk.de/themen/erklaerung-zum-voelkischen-nationalismus
2 Ebd.
3 Präambel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.
Die vollständige Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz finden Sie hier: https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2024/2024-023a-Anlage1-Pressebericht-Erklaerung-der-deutschen-Bischoefe.pdf