Für einen positiven Frieden - Volkstrauertag begangen
In der gesamten Pfarreiengemeinschaft wurde zusammen mit den Marktgemeinden und den Krieger- und Soldatenkameradschaften, den Reservisten und Vereinen das Gedenken zum Volkstrauertag begangen.
Predigt von Dekan Jürgen Josef Eckl zum 33. Sonntag im Jahreskreis (Gedenken zum Volkstrauertag):
Liebe Schwestern und Brüder!
Was ist los mit unserer Welt? Wir scheinen aus dem Krisenmodus nicht mehr herauszukommen: Die Pandemie vor einigen Jahren, dann der Krieg in der Ukraine, im Nahen Osten, in afrikani-schen Ländern, der Klimawandel und Naturkatastrophen, ein Auseinandertriften der Gesellschaft und ein Erstarken von Nationalisten, das Säbelrasseln zwischen Russland und der NATO, kriegstüchtig sollen wir werden …. Wo führt das hin?
Mit welchem Gefühl begehen wir vor diesem Hintergrund heute im Anschluss an diesen Gottesdienst das Gedenken zum Volkstrauertag, wo wir an Millionen von Opfern vergangener Kriege denken?
Viele blicken mit Unsicherheit, vielleicht sogar Angst und Sorge in die Zukunft, vor allem auch junge Menschen. Und zu verdenken ist es ihnen nicht.
Auch die Schriftexte des heutigen (Sonn-)tags zeichnen zunächst ein düsteres Bild. Immer, wenn es dem Ende des Kirchenjahres zugeht, dem Christkönigssonn-tag, an dem wir das Anbrechen des Reiches Gottes und somit die Wiederkunft des Herrn feiern, dann werden wir daran erinnert, dass diese Welt einmal an ihr Ende gelangen wird. Und zwar dann, wenn Christus wiederkommt, um sein Erlö-sungswerk zu vollenden und zu richten die Lebenden und die Toten. So beten wir es jeden Sonntag im Glaubensbekenntnis.
Das Weltgericht, das letzte Gerechtigkeit schafft und damit den universalen Frie-den herstellt, so dass das Reich Gottes auf ewig hin anbrechen kann, ist die nicht zu leugnende Perspektive unseres Daseins. Am Ende wird jeder vor Gott stehen und Rechenschaft ablegen müssen.
Über die letzten Tage redet auch Jesus im Evangelium: Sie werden begleitet sein von großen Zeichen und von schrecklichen Ereignissen. Und viele dieser schrecklichen Dinge, die aufgezählt werden, haben sich schon bewahrheitet, wen wir in die Geschichte schauen:
„Es werden Tage kommen, an denen von allem, was ihr hier seht, kein Stein auf dem andern bleibt, der nicht niedergerissen wird“, haben wir Jesus sagen hören – 70 n. Chr. wurde der Tempel in Jerusalem tatsächlich zerstört, dem Erdboden gleichgemacht. Das Volk Israel verliert seine kultische, religiöse und soziale Mitte. Das Volk wird in die ganze Welt versprengt. Seit damals (bis zur Gründung des Staates Israel 1948) lebten die Juden in der Diaspora.
Dann lesen wir: „Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten … – Lauft ihnen nicht nach!“ Wie viele falsche Propheten gab es schon. Wie oft ist Diktatoren schon gelungen, ganze Völker in blinde Gefolgschaft zu bringen und an den Rand des Abgrunds zu führen. Unsere deutsche Geschichte ist ein mahnendes Beispiel dafür.
Und schließlich: „Volk wird sich gegen Volk und Reich gegen Reich erheben. Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben.“
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Geschichte der Menschen war immer auch eine Geschichte von Krieg und Gewalt. Seit dem ersten Mord der Menschheitsgeschichte ertönt über den Grä-bern der Soldaten und Opfer von Gewalt die Frage: „Kain, wo ist dein Bruder A-bel?“ Es scheint bis zur endgültigen Erlösung der ganzen Schöpfung unser Los zu sein, dass wir Menschen übereinander herfallen. Dass Frieden tatsächlich nur die Abwesenheit des Krieges ist. Aber, ich glaube, damit sollten und dürfen gera-de wir als Christen uns nicht abfinden.
Diese Welt braucht keine Untergangsstimmung, sie braucht Hoffnung. Und uns ist eine Frohe Botschaft geschenkt, die das Licht der Hoffnung wachhält und es wiederentzündet, wo es erloschen ist.
Wenn wir heute der Opfer von Krieg und Gewalt gedenken, der gefallenen Solda-ten der Weltkriege, der Opfer in der Zivilgesellschaft, den im Einsatz getöteten Bundeswehrsoldaten, dann tun wir das in Trauer und zum ehrenden Andenken. Aber wir tun dies auch, indem wir für sie und für den Frieden in der Welt beten. Mit anderen Worten: Wir begehen den Volkstrauertag in der Hoffnung, dass Ge-walt, Krieg und Tod nicht das letzte Wort haben, sondern der lebendige Gott.
Wer auf Gott vertraut, der alles ins Leben rief, wer am Evangelium Maß nimmt, der wird sich nicht mit dem Frieden als Abwesenheit des Krieges abfinden. Der wird aus dem Geist des Evangeliums heraus für einen positiven Frieden eintreten, der die Gegenwart von Gerechtigkeit, Achtung der Menschenrechte, soziale Sicherheit, Dialog und Zusammenhalt voraussetzt; der letztlich um die Beseitigung der Ursachen von Konflikten bemüht ist, so dass sich die Menschen in Einigkeit und Recht und Freiheit entfalten können und dabei auch die Schwächsten nicht vergessen werden.
Das gilt für den Frieden nach außen. Dialog statt Konfrontation, statt Eskalation ein Innehalten im Streben nach Macht, Ausdehnung und Unterwerfung anderer, kann uns viel an Gewalt und Leid ersparen. Das vollkommenste Beispiel einer solchen Haltung des universalen Friedens feiern wir in einigen Wochen in der Menschwerdung des Gottessohnes. „Gott selbst hielt nicht daran wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde den Menschen gleich.“ Die entwaff-nende Macht der Liebe Gottes, in die wir hineingestellt sind, befähigt uns auch heute zu Verzeihung statt Rache, zu Freundschaft statt Misstrauen.
Das gleiche gilt aber auch für den Frieden nach innen. In einer Gesellschaft, in der die Selbstzufriedenheit zu einer Haltung der Un-dankbarkeit wuchert, weil man sich ja schließlich alles selbst verdankt, ist da ein kollektiver Tonfall des Misstrauens, der Gereiztheit und der Dauerunzufriedenheit noch verwunderlich? Wir erleben eine tiefe Vertrauenskrise in alles und jeden, was irgendwie nach Institution riecht. Hier sind Staat, Gesellschaft und Kirche gleichermaßen betroffen.
Passen wir auf, liebe Schwestern und Brüder, dass Diffamierung, Falschinformation und Empörungsdynamiken nicht Tore öffnen, die wir nicht mehr schließen können.
Rüsten wir verbal ab! Wer sich in Politik und Gesellschaft der Lüge, der Hetze, Bedrohung oder gar der Gewalt gegen andere bedienen muss, dem liegt doch nichts an Frieden und Gerechtigkeit; dem geht es nicht um Einigkeit und Recht und Freiheit. Dem geht es um persönliche Macht, und darum andere klein zu machen und klein zu halten. Und damit widerspricht so eine Haltung von Grund auf dem Evangelium und dem, wie wir als Christen leben und handeln sollen. Auch dafür werden wir uns einmal zu verantworten haben. Wenn der Herr wiederkommt, wird er Gerechtigkeit schaffen. Seine Gerechtigkeit. Und das ist die eigentliche Hoffnung mit Blick das Ende der Zeiten: Gerechtig-keit, Frieden, Vollendung alles Unfertigen und Bruchstückhaften.
Das Evangelium, das wir heute hören durften, will uns keine Angst machen. Die machen wir Menschen uns selber gegenseitig. Es will Hoffnung wecken auf ei-nen Herrn, der als Erlöser und Heiland kommt, als einer, auf den zu warten, es sich lohnt, weil er schließlich alles zum Guten führen will. Gott, der seine Schöpfung „gut“ gemacht hat, will doch nicht ihre Zerstörung, sondern ihre Vollendung.
Und diese christliche Hoffnung soll man an uns allen, liebe Schwestern und Brüder, ablesen können; an der Art und Weise wie wir leben und miteinander umgehen. Oder wie Papst Leo XIV. es sagte: „In einer zerrissenen und friedlosen Welt, lehrt uns der Heilige Geist gemeinsam zu gehen. Die Erde wird zur Ruhe kommen, die Gerechtigkeit wird sich durchsetzen, die Armen werden jubeln, der Friede wird zurückkehren, wenn wir uns nicht mehr wie Raubtiere, sondern wie Pilger bewegen. Wenn nicht mehr jeder für sich geht, sondern wir als Menschheit gemeinsam gehen.“
Amen.
Fotos: V. Lengfelder / S. Melis